Naga eyeglasses project sollte unser erstes Hilfs-Projekt für die Naga werden. Als wir unsere Reise durch die Naga-Region organisiert hatten fragte ich, was die Naga dringend brauchen könnten. Auf unseren bisherigen Reisen waren das hauptsächlich Schulhefte und Schreibmaterial für Kinder, Lebensmittel oder schwer zu beschaffende nützliche Kleinigkeiten gewesen. Die Antwort lautete diesmal: Brillen.
Dann reisten wir über Bangkok nach Mandalay in Myanmar, flogen von dort nach Khamti, dem letzten Flughafen der Region, setzten mit dem Boot über den Chindwin und auf der anderen Uferseite wartete ein Jeep, der uns in weiteren sechs Stunden nach Lahe brachte. Als wir dort eintrafen, war fast die erste Woche unserer Reise um.
Drei Tage genossen wir das farbenfrohe Neujahrsfest der Stämme. Über 5.000 Teilnehmer waren erschienen. Danach brachen mit dem myanmarischen Dolmetscher Soe und U Kyaw Naga, der unser Verbindungsmann war, in die Naga-Dörfer auf.
Die meisten Siedlungen sind nur mit dem Motorrad oder zu Fuß zu erreichen. In einem Dorf angekommen, organisierte U Kyaw einen weiteren Dolmetscher, der aus der örtlichen Naga-Sprache in Birmanisch übersetzen musste. Soe übersetzte das Birmanisch in Englisch, aus dem wir es in unserem Kopf in Deutsch umwandelten – stille Post in den Naga Hills.
Alle Dörfer haben einen Chief und einen Dorfvorsteher, der wie einst der Gaon Bura in Indien, Verbindungsmann zum burmesischen Staat darstellt. Außerdem gibt es entweder einen buddhistischen Mönch, oder eine kleine Kirche und einen Pastor. In manchen Dörfern gibt es sogar beides. Entweder schliefen wir im Haus eines Dorfvorstehers oder in einem so genannten Kloster.
Die selbst verwaltete Zone der Naga gehört politisch und territorial zu Myanmar. Der Buddhismus ist in Myanmar Staatsreligion. Gute Taten selbst auszuüben oder statt dessen Spenden an Bedürftige weiterzugeben, ist quasi geübter Buddhismus und in Myanmar selbstverständlich. Das Verteilen von kleinen Geschenken, einfachen Medikamenten gegen Schmerzen und Fieber, Tiger-Balm für die arthritischen Gelenke der alten Kopfjäger sowie Schulheften und Stifte für die Kinder gehörte bald zur täglichen Routine. Dabei erzählten wir von den Brillen und meistens am Folgetag richteten wir eine Brillensprechstunde ein.
Geduldig warten die Frauen aus Hway Kon darauf, eine Brille probieren zu können. An einen Arzt oder Optiker ist hier nicht zu denken.
Wir bildeten eine Kette, ich packte aus, mein Mann Peter passte das Gestell an und Soe fragte auf burmesisch, aus dem der örtliche Dolmetscher in die Dorfsprache übersetzte: „clear“ oder „not so clear“.
Eine weitere Hürde bestand darin, dass gerade die älteren Menschen, die eine Brille nötig haben, Analphabeten sind. Wir konnten ihnen also nicht einmal eine Zeitung in die Hand geben, um ihre Sehstärke zu prüfen. Aber was schreibe ich, hier gibt es weder eine Post noch eine Zeitung.
Auch ein Geh-Test kam selten in Frage. Die Dörfer liegen entweder auf oder an den Steilhängen der Berge. Hatte endlich jemand eine passende Brille gefunden, so steckte es sie in seine Tasche, um sie nicht zu beschädigen. Niemand trug eine Brille und so ein kostbares Gerät musste geschützt werden.
Bei einem „Patienten“ waren wir besonders sicher, dass er seine Sehstärke gefunden hatte. Der Schmied setzte die Brille auf, erfasste erstaunt einen Faden mitten auf meinem Busen, zog daran und sagte lachend: „Ich kann sogar die Fusseln sehen.“.
Obwohl wir nach fünf Wochen alle Brillen an den Mann und die Frau gebracht hatten, werden wir das Projekt nicht mehr weiterführen, weil wir keine professionellen Optiker sind und die meisten Brillen zu individuell angefertigt wurden, als dass sie unkompliziert einen neuen Träger finden können.
Während unserer Reise stellten wir fest, dass einfache medizinische Hilfsmittel einen größeren Nutzen bringen und durch uns besser transportiert werden können.
Aktuell sammeln wir Verbandsmaterial jeglicher Art, sterile Kompressen, Mundschutzmasken und alles, was sich in einem Erste-Hilfe-Verbandskasten befindet. Das Autohaus Wildi in Markdorf sammelt für uns freundlicherweise abgelaufene Verbandskästen, die immer noch brauchbare Binden und Scheren enthalten.